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Seit der Mitte der 80er Jahre ist Stadtmarketing in Kommunen ein wichtiges Instrument zur Standortentwicklung. Städte und Gemeinden nutzen Stadtmarken gezielt, um den wirtschaftlichen Strukturwandel, Partizipation von Bürgern zu verbessern und gleichzeitig der Verödung von Innenstädten entgegen zu wirken. Grundgedanke des Stadtmarketings ist, die Stadt als Marke in den Köpfen von Einwohnern und Touristen zu etablieren. Es geht dabei weniger vorrangig um kommerzielle Aspekte. Die Bindung zwischen Menschen und Standort ist im Vordergrund. Stadtmarketing kreiert Städte als Lebensorte – weit über das Einkaufserlebnis hinaus. Vielmehr werden Bedürfnisse der Einwohner, Touristen, Wirtschaft, Verwaltung und weiterer Interessenvertreter betrachtet und in Entwicklungsprozesse einbezogen.
Städte und Gemeinden sind seit jeher Orte für Handel und Kommunikation. Dieses Konzept befindet sich im Wandel. Wo früher Innenstädte mit Kaufkraftabfluss auf die grüne Wiese zu kämpfen hatten, kommt nun auch noch der Onlinehandel hinzu. Die Folgen sind Geschäftsaufgabe in Premiumlagen. Um dem Trading Down der öffentlichen Räume zu begegnen, entwickeln Stadtmarketing Experten Konzepte. Ganz zentral stehen Themen wie Transformation, Einflüsse der digitalen Welt und Bedürfnissen von Einwohnern und Besuchern auf der Agenda von Kommunen.
Seit April 2005 widmet sich der Berufsverband City- und Stadtmarketing Bayern (AKCS) Themen, wie Markenbildung für Städte, Transformation von Kommunen und Innenstadtentwicklung in Bayern. Hier liegt der Arbeitsschwerpunkt in der Schaffung attraktiver, städtischer Aufenthaltsräume für Einwohner und Gäste. Wir haben uns zu all diesen Themen mit Klaus Stieringer, Vorstandsvorsitzender des AKCS und Geschäftsführer des Stadtmarketing Bamberg e.V. unterhalten.
HACH: Vielen Dank, dass Sie für uns Zeit haben, Herr Stieringer! Bamberg ist weit über die Landesgrenzen eine bekannte Stadtmarke. Jährlich kommen Tausende von Touristen und genießen das Weltkulturerbe der Stadt. Wie schaffen Sie es, für Gäste und Bewohner gleichermaßen die Innenstädte erlebbar und lebenswert zu machen?
Klaus Stieringer: Die Stadt Bamberg bietet seit Jahrhunderten, neben einer vielfältigen Hoch-, auch eine liebenswerte, vielfältige und lebendige Lebens- und Veranstaltungskultur. Wir sind die größte Mittelstadt Bayerns, haben eine Universität, Fachhochschulen und sind das wichtigste Wirtschaftszentrun in Oberfranken. Hier können Sie Konzerte der Bamberger Symphoniker, die Angebote der Villa Concordia, die Stücke des E.T.A. Hoffmann Theaters, die Spiele der Brose Baskets, die Bands auf Deutschlands größtem Bluesfestival erleben, genauso wie eine weltweit einzigartige Brau- und Genusskultur. Von dieser Angebotsvielfalt profitiert unsere Innenstadt mittlerweile erheblich. Aber das war nicht immer so. Denn bevor Bamberg UNESCO Weltkulturerbe wurde, hatte auch unsere Innenstadt mit Frequenzrückgang, Ladenleerstand, Flächenwachstum auf der Grünen Wiese zu kämpfen und war auch nicht so belebt wie heute.
HACH: Welche Maßnahmen verschaffen Bamberg zum überregionalen Bekanntheitsgrad?
Klaus Stieringer: Über die Jahre haben wir die Stadtmarke Bamberg gezielt aufgebaut. Wir nutzen die Bekanntheit der Region, deren Sehenswürdigkeiten und Alleinstellungsmerkmale, um bestimmte Zielgruppen anzusprechen. Persönlichkeiten der Stadt, wie den Vater des Sams Paul Maar, das UNESCO Welterbe, das vielfältige Veranstaltungs-, Kultur- und Genussangebot tragen maßgeblich dazu bei, dass wir für alle Zielgruppen klar definierte Angebote anbieten können. Über die gemeinsame Leidenschaft zur Kultur, Genuss und Tradition machen wir die Stadt für Gäste und Anwohner gleichermaßen erlebbar und verbinden die Menschen über alle kulturellen und geografischen Grenzen hinweg miteinander.
HACH: Wie steigern Sie die Identifikation von Einwohnern und Besuchern mit der Stadt?
Klaus Stieringer: Ein Beispiel ist das Bamberger BLUES- & JAZZFESTIVAL. Deutschlands größtes eintrittsfreies Open Air Blues- und Jazzfestival zieht über fast zwei Wochen mit rund 70 Live Konzerten 150.000 Besucher in die Stadt. Mit dieser Musik sprechen wir ganz gezielt eine anspruchsvolle Klientel an, welche die Atmosphäre in der Innenstadt positiv befruchtet. Das hat auch eine sehr positive Wirkung auf den Wirtschaftsstandort Bamberg. Schon im Vorfeld sind Hotels und Pensionen ausgebucht. Die Gastronomie in der Innenstadt sorgt für Erlebnisräume, die schöne Erinnerungen in alle Welt senden.
Bei aller Gastfreundschaft beweisen wir aber auch den Anwohnern gegenüber Fingerspitzengefühl. Denn Bamberg ist eine typisch mittelalterliche Stadt mit engen Gassen, deren Infrastruktur nicht an auf die Anforderungen einer modernen Metropole ausgerichtet ist. Das macht ein klares Verkehrsleitsystem erforderlich, damit Fahrzeuge erst gar nicht in die Innenstadt fahren und den öffentlichen Raum komplett zuparken. Unsere Antwort darauf ist u.a. ein Park & Ride Angebot mit inkludiertem kostenlosen Shuttleservice in die Innenstadt.
Die wachsende Anzahl an Studenten, Einwohnern und Besuchern führt auch in Bamberg zu wachsenden Herausforderungen zwischen den Schutz- und Ruhebedürfnissen der Anwohner und den Anforderungen gegenüber einer modernen und lebendigen Stadt. Eine Idee zur Entspannung könnte, neben moderierten Veranstaltungen, zum Beispiel die Einführung eines Nachtbürgermeister sein. Hier wäre es unter anderem die Aufgabe das Ruhebedürfnis der Anwohner und das Erlebnisangebot von Touristen und jungen Menschen auch in den späten Stunden miteinander zu verbinden.
Durch die frühzeitige Einbindung und Aufklärung der Zivilgesellschaft können Konflikte innerhalb des nachbarschaftlichen Miteinanders vermieden oder zumindest reduziert werden. Wir setzen in Bamberg auf gegenseitige Rücksicht und das wechselseitige Verständnis aller Beteiligten. Das betrifft übrigens nicht nur die Nachtruhe. In den letzten Jahren ist die Einwohnerzahl und somit auch die Herausforderungen für die Stadtgesellschaft insgesamt in vielen Bereichen gestiegen. Schulen und Kindertagesstätten mussten renoviert und erweitert werden, Lebens- und Ruheräume müssen geschaffen und sowohl Integration wie auch Inklusion mit Leben und Taten gefüllt werden.
Auf der einen Seite ist Bamberg für Menschen und Unternehmen zugleich attraktiv, was sich in der Ansiedlung neuer Firmen und Menschen verdeutlicht. Auf der anderen Seite sind damit auch die Preise für Wohnen und Lebenshaltung gestiegen. Auch hier setzen wir auch auf moderierte Prozesse, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch die Stadt und die Schaffung von neuen Arbeits-, Freizeit- und Kulturräumen. Auch die Vernetzung der Stadtgesellschaft wird eine der herausragenden Zukunftsaufgaben der Stadt sein, um alle Partner des öffentlichen Lebens gleichermaßen mit einzubeziehen. Eine starke Stadt hat immer ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und deshalb geht es auch beim modernen Stadtmarketing immer um die Schaffung bzw. Stärkung des Wir-Gefühls.
HACH: Nutzen Sie für das Wir-Gefühl eigentlich besondere Werbeträger?
Klaus Stieringer: Meine Kollegen vom Tourismusmarketing setzen natürlich Merchandisingprodukte als Werbebotschafter ein. Vom T-Shirt bis zur Kaffeetasse wird hier die gesamte Bandbreite genutzt, um die Stadtmarke positiv aufzuwerten. Im Bereich Stadtmarketing arbeiten wir mit großen Anbietern und regionalen und überregionalen Medienpartnern zusammen.
HACH: Welche Konzepte möchten Sie in der Zukunft umsetzen, um Innenstädte als lebendigen Begegnungsraum zu etablieren?
Klaus Stieringer: Im Mai findet in Bamberg der Zukunftstag des AKCS statt. Zentrale Themen sind in diesem Jahr die fortschreitende Transformation von Innenstädten und die zunehmende Digitalisierung. Für Stadtmarketing und Stadtplanung sehe ich die interessante Herausforderung multifunktionale Stadträume neu zu definieren. Denn bisher waren Innenstädte typischerweise gewachsene Handelsplätze. Digitaler Handel wirkt demzufolge dezentralisierend auf Stadträume. Gleichzeitig macht diese Entwicklung neue Räume frei für die Stadt als Erlebniswelt. Denn nichts kann den zwischenmenschlichen Kontakt wirklich lückenlos ersetzen. Wenn Sie sich mit Freunden in einem Café treffen wollen, dann ist der digitale Austausch, zum Glück, nach wie vor ein schwacher Ersatz.
Aber wir dürfen auf gar keinen Fall den Fehler machen uns vor modernen Technologien, digitalen Angeboten und innovativen KI Lösungen grundsätzlich zu sperren. Zukünftige Technologien wie Virtuelle Reality als digitales Modell für die Realität bietet auch den Stadtmarketing- und Tourismusorganisationen unglaubliche Möglichkeiten die es frühzeitig zu verstehen und zu nutzen gilt. Die fortschrittlichen Möglichkeiten moderner Kommunikationsangebote unter Einbeziehung von KI`s und VR können und werden unsere Arbeit von Grund auf verändern. Es bleibt also spannend, wie wir Stadtmarketing auf Grundlage digitaler Technologien weiterentwickeln werden.
HACH: Vielen Dank für Ihre Zeit und das wirklich inspirierende Interview.
Bildrechte: K. H. J. / MCI Pixabay, Autor: fb