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Kurz vor dem Tanz in den Mai startet HACH die neue Reihe Experteninterviews. Wir treffen uns regelmäßig mit Branchenvertretern, um das Thema Marketing und Kundenbindung zu besprechen. Zum Anlass nehmen wir dieses Mal den alljährlichen Welttag des Tanzes am 29. April. Seit 1982 wird der Tanz einmal im Jahr als universelles, zwischenmenschliches Bindeglied gewürdigt. Gleichzeitig ist der 29. April der Geburtstag von Jean-Georges Noverre. Der französische Choreograf und Gründer des modernen Balletts gilt als Erneuerer der Tanzwelt.
Von Asien über Lateinamerika bis nach Europa verbindet der Welttag des Tanzes die Menschen. Die verbindende Kraft von Bewegung und Rhythmus ist kommunikativ und heilsam. Denn Tanz kann Grenzen überwinden und Menschen zusammenführen. Tanzen fördert die Liebe, Zusammenhalt und Kooperation. "Es ist leicht zu erkennen, wie kulturübergreifend wichtig der Tanz für den Menschen ist", sagt der Kognitionsforscher Tecumseh Fitch von der Universität in Wien.
Die Lust an der rhythmischen Bewegung ist vielfältig. In Argentinien wird das Tanzbein direkt auf der Straße geschwungen. In Deutschland bringen Tanzschulen Menschen aller Altersklassen und Tanzstile zusammen. Längst geht es auf dem Parkett nicht mehr so staubig zu wie zu anno dunnemals. Zwischen Rumba, Hip-Hop und klassischem Ballett bieten die Schulen für jeden Geschmack den richtigen Takt.
So unterschiedlich die Tanzstile sind, so unterschiedliche Zielgruppen werden von Tanzschulbetreibern angesprochen. Neben klassischen Werbeformen greifen Tanzschulen für Akquise und Kundenbindung immer stärker auf Social-Media-Kanäle zurück. Wie das in der Praxis funktioniert, haben wir mit einem Experten besprochen. Wir freuen uns auf einen Gedankenaustausch mit dem Präsidenten des Unternehmerverbandes »Swinging World e.V.« Herrn Christoph Möller. Der Unternehmerverband »Swinging World e.V.« vertritt die Interessen von gut 600 Tanzschulen in Deutschland sowie in einigen Nachbarländern.
Seit zehn Jahren führt Christoph Möller die Tanzschule Wolfgang Steuer in München. Mit seinen 40 Angestellten erwirtschaftet er einen Jahresumsatz von rund 1,5 Millionen Euro. Sein Unternehmen gehört damit zu den großen Tanzschulen hierzulande. Über seine Tätigkeit für den »Swinging World e.V.« hinaus ist Christoph Möller Vice President des European Dance Council sowie Vice-Senior-Chairman des Social Dance Executive Boards im World Dance Council, dem Weltprofitanzverband.
Lieber Herr Möller! Vielen Dank, dass Sie für uns Zeit haben. Früher waren Tanzschulen eine wichtige Anlaufstelle für Jugendliche, wenn es um den Kontakt zum anderen Geschlecht ging. Aber welche gesellschaftliche Funktion genießen Tanzschulen heute im 21. Jahrhundert?
Christoph Möller: Auch heutzutage spielen Tanzschulen noch eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Jugendlichen. Gerade in einer Zeit, in der Jugendliche den Großteil ihrer freien Zeit vor Computern und in sozialen Netzwerken verbringen. Daher habe es sich unsere Mitgliedstanzschulen zur Aufgabe gemacht, nicht nur den klassischen Tanzkurs anzubieten, sondern auch mit Zusatzangeboten wie z. B. Vorbereitung auf den ersten Abschlussball, Tipps, wie man z. B. eine Krawatte bindet, oder generell mit Umgangsformenseminaren einen Zusatznutzen für die jungen Menschen zu bieten.
Welche Rolle spielt hier Swinging World e.V. als Interessenverband für seine Mitglieder? Wie vertreten Sie Ihre Mitglieder in Politikebene und bei unternehmerischen Problemstellungen?
Christoph Möller: Die zurückliegenden zwei Jahre waren für unseren Verband eine große Herausforderung. Unsere Branche wurde zunächst von der Politik praktisch gar nicht wahrgenommen. Ein wesentliches Manko in der Pandemie war, dass die einzelnen Bundesländer Tanzschulen ganz unterschiedlich klassifiziert haben – mal als Sport, mal als Kultur, mal als außerschulische Bildung, mal als sonstige „Tanzlustbarkeiten“… Das hatte einen Regelungsflickenteppich zur Folge.
Für unseren Verband war es wichtig, dass Tanzschulen sowohl zur physischen als auch zur psychischen Gesundheit von Jugendlichen beitragen. Wir sind daher unmittelbar an das Bundesministerium für Gesundheit herangetreten und zudem Kooperationen – z. B. mit dem Dehoga Bayern und der Expertenallianz für Gesundheit – eingegangen, um unsere Position zu stärken.
Welche Auswirkung haben Hygieneregeln und Lockdown Beschränkungen auf die Außendarstellung der Tanzschulen und deren Werbemaßnahmen?
Christoph Möller: Wir sind uns der Tatsache sehr bewusst. Pandemie und Geselligkeit passen grundsätzlich nicht zusammen. Unter den vorgegebenen Bedingungen haben wir aber gemeinsam mit unseren Mitgliedstanzschulen das Beste aus der Situation gemacht. So wurden unter anderem ausgeklügelte Hygienekonzepte mit einer 100-prozentigen Nachverfolgbarkeit der Kontakte erstellt. Zudem haben wir sehr schnell zertifizierte Hygieneausbildungen für unsere Mitglieder angeboten, mit denen wir auch werben konnten. Vielfach wurden erhebliche Summen in moderne Lüftungs- und Filteranlagen investiert. All das wurde von unseren Kunden goutiert.
Welche Zielgruppen sprechen Ihre Verbandsmitglieder vorrangig an? Wurden hier in der Vergangenheit Zielgruppen priorisiert? Gibt es Zielgruppen, die weniger im Vordergrund stehen, aber zukünftig eine Rolle spielen?
Christoph Möller: Diese Frage lässt sich nicht generell beantworten, da unsere Branche extrem vielfältig ist. Es gibt sicher noch die klassische Gesellschaftstanzschule. Daneben gibt es Schulen, die ein äußerst diversifiziertes Angebot von „0 bis 99“ Jahren vorhalten. Es gibt Tanzschulen, die sich nur mit Kindern oder Einzeltanzformen wie Hip-Hop, Salsa oder Tango Argentino beschäftigen. Einige Anbieter arbeiten mit Schulen und Kindergärten zusammenarbeiten – um nur einige Beispiele zu nennen.
Generell wollen wir als Verband das Bewusstsein in unserer Gesellschaft stärken. Tanzen und Tanzschulen sind ein nicht wegzudenkender Bestandteil unserer kulturellen Landschaft und Vielfalt.
Welche Marketingtrends beobachten Sie und Ihre Verbandsmitglieder in Tanzschulen im Verlauf der letzten Jahre?
Christoph Möller: Die Antwort lautet ganz klar: „Soziale Netzwerke“. Sie sind die Trendgeber der heutigen Zeit, bringen die aktuellen Trends nahezu in Echtzeit in unsere Tanzschulen. Wenn man in der Wahrnehmung der Menschen eine Rolle spielen will, kommen unsere Tanzschulen daran nicht vorbei. So beschäftigen wir als Verband schon seit geraumer Zeit Fachleute, die diese Kanäle für unsere Mitglieder mit Aktionen bespielen. Aber auch unsere Mitglieder werden geschult, um selbst Social-Media-Kanäle effektiv bedienen zu können.
Tanzen mindert den Bewegungsmangel und fördert den Kontakt mit „echten“ Menschen aller Altersklassen. Tanzen ist quasi „Social Media mit Anfassen“. Wie nutzen Sie Online-Kanäle, um Interessenten aus der virtuellen Welt aufs physische Parkett zu bekommen?
Christoph Möller: Die Online-Kanäle fördern grundsätzlich das Interesse am Tanzen und haben uns in der Pandemie beim vollständigen Lockdown auch geholfen, den Kontakt zu unseren Kursus-Teilnehmerinnen und -teilnehmern zu halten. Doch nur wenigen Menschen mag das eigene Tanzen einsam vor der Kamera auf Dauer genügen. Die allermeisten verbinden aber mit Tanzen und Tanzkurs die Geselligkeit und das Gemeinschaftserlebnis in der Gruppe. Insofern sind Online-Medien nur ein neuer Werbekanal für die Erlebnisse in unseren Tanzschulen, die man nur so und auch nur dort bekommen kann.
Welche Herausforderungen haben dabei Videoplattformen wie Youtube und Vimeo für Tanzschulen?
Christoph Möller: Alle – Kunden wie Tanzlehrerkollegen – sind sich einig, dass dies nur ein unvollständiger Ersatz für einen „normalen“ Unterricht war. Zumal es Lerntypen gibt, die mit dieser Form des Unterrichts nichts anzufangen wissen. Denn die Plattformen sind rein technisch nicht in der Lage, die Dreidimensionalität einer Bewegung abzubilden. Ein Tanzlehrer kann live viel besser auf die Teilnehmenden eingehen.
Nicht alle Tanzschulen konnten sich darauf ausrichten, diese Plattformen auch zweikanalig zu betreiben. Es ist nicht einfach, in heimische Wohnzimmer zusenden und gleichzeitig auf die Reaktion der Kursus-Teilnehmerinnen und Kursus-Teilnehmer einzugehen. Daher beschränkten sich viele Tanzschulen auf einen einkanaligen, reinen Frontalunterricht.Wie aber schon zuvor erwähnt, haben derartige Plattformen uns sehr geholfen, im Lockdown den Kontakt zu unseren Kunden nicht abbrechen zu lassen.
Wenn Sie mal eine Traumreise machen möchten. Wie sieht die zukünftige Tanzschule Ihrer Träume aus?
Christoph Möller: Eine Frage, die man nicht pauschal beantworten kann. Sie sollte ein Ort der Begegnung für alle Menschen sein – unabhängig von ihrer Hautfarbe, von ihrem Alter, ihrer sexuellen oder religiösen Orientierung. Vorrangiges Ziel nach dieser langen Corona-Durststrecke ist es nunmehr, den Menschen wieder ihr Lächeln zurückzugeben. Was kann dabei besser helfen als Tanzen?
Herr Möller, wir danken Ihnen herzlich für Ihre Zeit und das informative Gespräch zum Thema „Kundenbindung und Marketing in Tanzschulen“. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der schönsten Sache der Welt, dem Tanz.
Fotos: Deagreez (istock) |Karl-Werner Wiemers (Swinging World e.V.)