Zeitumstellung – Wie kann sich die Abschaffung in der EU auswirken?

Zeitumstellung – Wie kann sich die Abschaffung in der EU auswirken?

 

Auch, wenn das Jahr 2020 ganz andere Themen in den Vordergrund rückt: eines der Diskussionsthemen in der EU ist nach wie vor die Abschaffung der Zeitumstellung. Denn 2018 wurde eine öffentliche Konsultation zum Thema Sommer- oder Winterzeit abgehalten - mit mäßiger Beteiligung der Wähler (3,4 Mio EU Europäer nahmen teil). Ergebnis: 84% stimmten für die Abschaffung der Zeitumstellung. Die Uhren stellen wir also letztmalig in der Nacht vom Samstag zum Sonntag, 28.März 2021 um. So ist jedenfalls der Plan der Europäischen Kommission.

Aber die Europäische Union definiert sich durch Vielfalt. So ist es einzelnen Staaten möglich, Sommerzeit statt Standardzeit (Winterzeit) beizubehalten – oder auch nicht. Fällt die Entscheidung auf die Winterzeit, dann findet die Zeitumstellung am letzten Sonntag im Oktober 2021 statt. Das finale Wort zur Entscheidung ob Winter- oder Sommerzeit haben also die Mitgliedsstaaten.

Besonders für die grenzübergreifende Wirtschaft stellt diese Wahlmöglichkeit eine Herausforderung dar. Grundsätzlich geht es darum, das Zusammenleben- und -arbeiten innerhalb der EU-Länder bestmöglich zu gestalten. Es kommt also wieder einmal auf Eu-interne Abstimmungsprozesse an.

Fakt ist aber, dass es auch jetzt innerhalb der EU keine einheitliche Zeitzone gibt. Wenn in Frankfurt/ Main die Börse um 9 Uhr öffnet, dann ist der Athens Stock Exchange schon seit 1 Stunde geöffnet. In Spanien gehen die Uhren erst seit Franco nach mitteleuropäischer Zeit, obwohl das Land in der geografischen Zeitzone der Britischen Inseln oder von Portugal liegt. Kurz: Ein kleines Sammelsurium der Zeitzonen besteht sowieso in Europa. Die Abschaffung von Sommer- oder Winterzeit birgt die Chance zur Verbesserung auf EU-Ebene – abhängig von der Kooperationsfähigkeit der Mitgliedsstaaten samt deren Einwohner.

Abschaffung der Zeitumstellung im EU Binnenmarkt

Bei der Abschaffung der Zeitumstellung in der EU fühlt man sich ein wenig in die Geschichte zurückversetzt. Das Wort Flickenteppich taucht unweigerlich in den Köpfen auf. Wenn Spanien, Frankreich oder Italien unterschiedliche Zeitzonen einführen als beispielsweise Schweden, dann bedarf es einer höheren Abstimmung innerhalb international agierender Firmen. Angesichts von Video-Konferenzen zwischen New York, Tokio und London eigentlich keine Hürde.

International spielen für Konzerne Zeitzonen eine untergeordnete Rolle. Wenn sich die Europäer noch in den Federn räkeln, werden Projekte bereits in Asien ausgearbeitet. Diese Dokumente per E-Mail verschickt, werden zur besten mitteleuropäische Zeit bearbeitet und in Nordamerika fertiggestellt. Dazwischen gibt es jede Menge Zeit für die digitale Kommunikation über die Kontinente hinweg. Es sollte also kein Problem sein, die Mitgliedsländer der EU zum Konsens zu führen und das Gefühl der politischen Teilhabe zu stärken.

Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten kann im ersten Schritt helfen, die Bedürfnisse der EU-Bürger abzubilden. Denn in den meisten Branchen gehört die festgeschriebene Arbeitszeit von 8:00 bis 16:00 Uhr bereits der Vergangenheit an. Viele Unternehmen haben außerdem durch den Corona Lockdown und Home-Office Blut geleckt. Die Arbeitnehmer profitieren von einer umfangreichen Gleitzeit-Regelung unter der Hand. Jetzt erarbeitet sogar die Bundesregierung an einer Novellierung, damit das Recht auf Home-Office und besserer Work-Life-Balance ins Arbeitsrecht wandert. Selbst deutsche Schulen bieten Schülern Gleitzeitmodelle und Kernzeiten für die Anwesenheit an – mit Erfolg.

Abgesehen vom höheren Abstimmungsbedarf bei einer Abschaffung der Zeitumstellung in der EU, gibt es arbeitspsychologische Herausforderungen. Die permanente Sommerzeit könnte sich auf die Arbeitsleistung von Mitarbeitern auswirken. Spätes Einschlafen, lange Nächte: das klingt in den Sommermonaten attraktiv. Die Schattenseite, besonders in Mittel- und Nordeuropa, macht sich im Winter bemerkbar. Würde auf permanente Sommerzeit umgestellt, wäre es morgens im Winter 8 Wochen länger dunkel. Für die Arbeitsmotivation könnte dies ein Negativfaktor sein. Entgegenwirken können Unternehmen durch ausgeklügelte Lichtkonzepte in den Arbeitsräumen, einer entsprechenden Gleitzeit und gebrandetem Bürobedarf im Home-Office.

So bewertet die deutsche Wirtschaft die dauerhafte Zeitumstellung

In Bezug auf den Energieverbrauch, dem Pro-Argument für die Zeitumstellung, spricht sich die Energiewirtschaft für die ganzjährige Winterzeit aus. Wohingegen Handel, Gastgewerbe, Finanz- und Versicherungsdienstleister die durchgehende Sommerzeit präferieren. Genauso denken auch die Verbraucher.

Das Ifo Institut befragte 1400 deutsche Unternehmen bezüglich der Zeitumstellung. 38 Prozent sprechen sich für das Beibehalten von Sommer- und Winterzeit aus. 24 Prozent der Unternehmen messen der Zeitumstellung überhaupt keine Rolle bei.

Am Rande könnte es die deutsche Milchwirtschaft treffen. Kühe reagieren in den ersten Tagen nach der Zeitumstellung sensibel bis ein wenig gestresst. Teilweise passen Bauern schon Tage vorher im 10-Minutentakt die Melkzeiten an. Andere Landwirtschaftsbetriebe stellen einfach von einem Tag auf den anderen die Uhren um. Eine nachweisbare Auswirkung auf die Milch-Produktionsmenge hat weder die eine noch die andere Methode.

Zurück zum EU Parlament: Hier hängt für jede Zeitzone eine Uhr – aktuell gibt es drei Zeitmesser. Abhängig davon, wie sich die EU Staaten untereinander abstimmen, werden es mehr oder weniger Uhren sein.